Projekt B03: Multi-Ionenspektroskopie für optische Uhren

Ziel dieses Projekts ist die Erweiterung der Spektroskopie an einzelnen Ionen hin zu Systemen aus vielen Ionen, um die Instabilität in solchen optischen Multi-Ionen-Uhren auf kurzen Zeitskalen zu reduzieren. Dazu werden wir maßgeschneiderte Quantenzustände erzeugen, um den Einfluss der Umgebung auf die systematische Unsicherheit zu unterdrücken und die Anwendbarkeit verschränkter Zustände zur Verringerung der statistischen Unsicherheit von optischen Frequenzstandards untersuchen. Unsere Quantensensoren sind sehr empfindliche Messinstrumente für präzise Tests neuer Physik jenseits des Standardmodells, wie etwa Tests der lokalen Lorentz-Invarianz oder der Suche nach Variationen von Fundamentalkonstanten.

Einführung

Auf einzelnen Ionen basierende optische Uhren gehören zu den genauesten Messinstrumenten überhaupt, mit nachgewiesenen systematischen Frequenzunsicherheiten im Bereich von 10-18. Die in diesen Experimenten verwendeten Ionenfallen ermöglichen lange Abfragezeiten des Uhren-Ions, erlauben eine ausgezeichnete Kontrolle über interne und externe Freiheitsgrade und schirmen es gleichzeitig von äußeren Störeinflüssen ab. Optische Einzel-Ionen-Uhren stoßen jedoch an eine grundlegende Grenze: Das einzelne Ion ermöglicht nur ein kleines Signal-Rausch-Verhältnis, das direkt in die statistische Unsicherheit der Uhr einfließt.

In diesem Projekt wollen wir diese Einschränkung durch den Einsatz von Multi-Ionen- und Multi-Spezies-Ensembles für die Spektroskopie überwinden. Ein wichtiges Element ist eine neuentwickelte Fallenplattform, die für das stabile Speichern vieler Ionen geeignet ist und gleichzeitig ein hohes Maß an Kontrolle ermöglicht, wie dies bei Einzel-Ionen-Experimenten der Fall ist. Die kontinuierliche dynamische Entkopplung als eine von uns entwickelte, neuartige Technik ermöglicht die Unterdrückung inhomogener Effekte von Feldgradienten und Ionen-Ionen-Wechselwirkungen in großen Ionenkristallen. Neuartige Kühlmethoden für komplexe Multi-Spezies-Ionenkristalle erlauben eine effiziente Kontrolle der Multi-Ionen-Systeme. Ergänzt wird dies durch die Untersuchung von Systemen verschränkter Ionen zur Reduzierung der statistischen Unsicherheit von optischen Frequenzstandards.

Ergebnisse

Im Rahmen des Projekts B03 haben wir eine Präzisions-Ionenfalle entwickelt, die in der Lage ist, mehrere Multi-Ionen-Ensembles gleichzeitig zu fangen. Die Falle besteht aus vier übereinander angebrachten Trägern aus AlN, einem keramischen Material mit hoher Wärmeleitfähigkeit. Die Falle ist auf eine hohe intrinsische Symmetrie ausgelegt, die - zusammen mit einer präzisen Laserstrukturierung - die Speicherung von symmetrischen Coulomb-Kristallen ermöglicht. Das gestapelte Fallendesign bietet hierbei einen optischen 3D Zugang zur Laserkühlung und Manipulation der Ionen.

Neue Präzisions-Ionenfalle aus AlN-Keramik. (a) Schematischer Aufbau des Träger-Stapels der Falle. (b) Die Substrate sind laserstrukturiert und ermöglichen das Speichern mehrerer Ensembles. (c) EMCCD-Bild eines Ionen-Coulomb-Kristalls.

Als ersten Meilenstein auf dem Weg von der Einzel-Ionen-Spektroskopie zu Multi-Ionen-Ensembles haben wir eine simultane Messung der räumlich aufgelösten axialen Exzess-Mikrobewegung entlang einer Kette von 14 ­Yb+-Ionen durchgeführt und gezeigt, dass sie der Messung eines einzelnen verschobenen Ions entsprechen. Wir konnten weiterhin demonstrieren, dass die axiale Mikrobewegung einer zeitlichen Dilatationsverschiebung durch Exzess-Mikrobewegung in der Größenordnung von 10-18 entspricht und wir damit das Ziel des Ionenfallen-Designs erreicht haben.

Kürzlich haben wir erstmals den verbotenen Oktupolübergang in 172Yb+ mit einer Auflösung im 100 Hz-Bereich beobachtet (in Zusammenarbeit mit dem assoziierten Yb+ Projekt). Dieser Durchbruch ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Test der lokalen Lorentz-Invarianz mit Hilfe des relativistischen f-Zustands in 172Yb+.

Bei der Verwendung großer Ionenkristalle als Frequenzstandards besteht die Gefahr, die hervorragende Genauigkeit zu verlieren, die die große Stärke der Einzel-Ionen-Uhren ist. In großen Ionenkristallen führen Feldgradienten, Einflüsse der Ionenfalle und Wechselwirkungen zwischen den Ionen typischerweise zu einer inhomogenen Verbreiterung des ursprünglich schmalen Uhrenübergangs, was wiederrum die Genauigkeit der optischen Uhr einschränkt. Wir haben eine Technik entwickelt, die diesen Effekt unterdrückt. Durch die Kopplung mehrerer geeigneter atomarer Zustände mit unterschiedlicher Abhängigkeit von den relevanten Effekten (d.h. Quadrupol- und Tensor-ac-Stark-Effekt und Zeeman-Effekt) erzeugen wir einen robusten Uhrenübergang. In Zusammenarbeit mit Kollegen aus der Theorie haben wir gezeigt, dass solch ein robuster Uhrenübergang in einem Ionenkristall aus 400 Ca-Ionen nicht mehr durch inhomogene Verbreiterung dominiert wird und damit nutzbar wird für die Multi-Ionen-Spektroskopie.

Kontinuierliche dynamische Entkopplung. a) Ionenkristall mit 400 Ca-Ionen wird durch Radiofrequenzfelder angetrieben, während er vom Uhrenlaser abgefragt wird. b) Kopplung der atomaren Zustände unterdrückt inhomogene Verbreiterung des Uhrenübergangs

Als ersten Schritt zur Realisierung des angestrebten Ansatzes im Labor haben wir unser Schema mit einem einzelnen Ca-Ion implementiert und eine signifikante Unterdrückung der inhomogenen Linienverbreiterung beobachtet. Die experimentelle Implementierung auf Grundlage der oben beschriebenen Fallenplattform erleichtert das Fangen großer Ca-Ionen-Kristalle und ebnet damit den Weg, das Potential unseres Ansatzes in naher Zukunft voll auszuschöpfen.

Eine weitere Herausforderung von (Multi-Spezies-)Ionenkristallen sind effiziente Kühltechniken, die die Kontrolle über die komplexere Modenstruktur von Ionenkristallen ermöglichen. Wir haben die doppelt-helle EIT-Kühlung (EIT: Elektromagnetisch-induzierte Transparenz) als neuartige und schnelle Kühltechnik für Al+-Ca+-Kristalle entwickelt und demonstriert, wie sie für unsere Al-Quantenlogik-Uhr eingesetzt werden kann.

Zukunft

Als nächsten Schritt werden wir den UV-Optik-Aufbau zur direkten Detektion von In+ implementieren und charakterisieren, sowie die erste Spektroskopie des In+ Uhrenübergangs in unserem Aufbau durchführen. Wir werden deterministisches Laden und Sortieren von gemischten Yb+/In+-Kristallen implementieren und optimale Konfigurationen für längere Ketten in Bezug auf Kühlzeiten und systematische Unsicherheiten untersuchen. Die Yb+-Ionen dienen dabei als Sonden zur Charakterisierung der Magnetfeldgradienten für In+.

Der 4f-Zustand in Yb+ weist eine hohe kinetische Energie auf, die dieses Atom sehr empfindlich auf relativistische Effekte macht. In diesem Projekt werden wir einen genauen Test der lokalen Lorentz-Invarianz (LLI) durchführen, der im Prinzip ein Quantenanalogon zum klassischen Michelson-Morley-Experiment ist: Hier untersuchen wir die Interferenz von maßgeschneiderten Quantenzuständen und suchen nach Variationen ihrer kinetischen Energie auf der Skala eines siderischen Tages.

Darüber hinaus werden wir ein robustes Schema von zusammengesetzten Pulsen implementieren (ein Ansatz ähnlich dem oben beschriebenen robusten optischen Uhrenübergang), um eine mögliche Verletzung der lokalen Lorentz-Invarianz im f-Zustand von Yb+ mit verbesserter Empfindlichkeit zu testen. Als nächsten Schritt werden wir die deterministische Verschränkung mehrerer Ionen für einen Test der LLI mit noch weiter verbesserter Empfindlichkeit untersuchen (zusammen mit Projekt A06).

Wir werden die kontinuierliche dynamische Entkopplungstechnik auf große Ca-Ionen-Kristalle ausdehnen und eine verbesserte Stabilität demonstrieren, um den Weg für robuste optische Übergänge in Multi-Ionen-Kristallen zu ebnen. In Zukunft könnte ein solcher Kristall als Vorstabilisierungsstufe in einem kaskadierten Uhrenschema verwendet werden, wenn ein Al+-Ca+-Kristall in einem anderen Fallensegment abgefragt wird, wodurch eine hohe Stabilität des großen Ca+-Kristalls mit der hohen Genauigkeit des Al+-Ca+-Kristalls kombiniert wird.

Schließlich bauen wir derzeit ein Experiment auf, um eine Verschränkung zwischen zwei Ca+-Ionen zu erzeugen, mit dem Ziel, den Nutzen der Verschränkung für die Spektroskopie zu untersuchen. Dazu werden wir das von Mølmer-Sørensen vorgeschlagene Schema zur Erzeugung von Verschränkung anwenden, wie in der Gruppe von C. Ospelkaus (siehe Projekt A01) gezeigt.


Veröffentlichungen

Zeige Ergebnisse 21 - 22 von 22

Beev N, Keller J, Mehlstäubler TE. Note: An avalanche transistor-based nanosecond pulse generator with 25 MHz repetition rate. Review of scientific instruments. 2017 Dez 1;88(12):126105. doi: 10.1063/1.5000417
Leroux ID, Scharnhorst N, Hannig S, Kramer J, Pelzer L, Stepanova M et al. On-line estimation of local oscillator noise and optimisation of servo parameters in atomic clocks. Metrologia. 2017 Mär 5;54(3):307-321. doi: 10.1088/1681-7575/aa66e9
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Projektleiter

Prof. Dr. Tanja Mehlstäubler
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Callinstraße 36
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Prof. Dr. Piet Oliver Schmidt
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Mitarbeiter

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Dr. Johannes Kramer
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Dr. Lennart Pelzer
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